Formlos ist eine fünfköpfige Band aus Sachsen-Anhalt, die 2011 gegründet wurde. Der Sound bewegt sich irgendwo zwischen Rock und Punk, wobei es den Jungs selbst wohl weniger um die Einordnung in ein Genre geht, als vielmehr um die Freude an der Sache. 2013 veröffentlichte die Band ihr erstes Album DER FALSCHE WEG. Danach hat sich einiges getan. 2017 gab es zwei Besetzungswechsel und 2020 unterschrieben die Jungs beim Deutschrocklabel. Veränderungen gehen an einer Band nicht spurlos vorbei. Damit will ich sagen, dass man diese oft auch an der Musik hören kann. Ich durfte mir das neue Album DEIN PLATZ schon mal anhören und ich kenne auch das Vorgängeralbum. In meinen Ohren unterscheiden sich die beiden sehr stark voneinander, wobei ich DER FALSCHE WEG als eher rockiger und DEIN PLATZ als punkiger bezeichnen würde. Aber schauen wir uns das neue Album doch mal genauer an.
AUFBRUCH
Was macht man, wenn einem das eigene Leben wie ein „Missgeschick“ vorkommt? Damit beschäftigt sich der gleichnamige Song. Die Antwort ist eigentlich relativ einfach: Überleg Dir was gerade falsch läuft und ändere das! Da es dann doch manchmal nicht ganz so einfach ist, ist es sehr gut, dass der Song im musikalisch optimistischen Gewand daherkommt, also mit einer Melodie, die aufbaut und nicht beschwert.
LEBENSLUST
„Partystrand“ schürt die Lust auf Sommer, Sonne und Party“ wie man es noch aus Präpandemiezeiten kennt, genau wie der darauffolgende Song „Helga“, der Lust auf Festivals macht, indem er mit einem leicht poppigen Sound ein Festivalwochenende in den schillerndsten Farben schildert.
„Was ich darf“ ist ein Remake des gleichnamigen Songs vom Vorgängeralbum DER FALSCHE WEG. Ich persönlich finde, dass man das auch hört. DER FALSCHE WEG war für mich nämlich insgesamt rockiger und ein bisschen härter. Das lag vor allem am Gesang, aber auch in der Neufassung mit „klarerem“ oder „reinerem“ Gesang klingt der Song noch rockiger, als die meisten anderen Songs auf DEIN PLATZ.
„Deine größten Helden“ wird vor allem den Zockern unter Euch gefallen, denn es ist eine Liebeserklärung an virtuelle Phantasiewelten.
Bei „Nie wieder – Mal wieder“ geht der Sound am Anfang ein bisschen Richtung Ska. Im weiteren Verlauf dominieren dann aber doch Gitarren und keine Blasinstrumente. Der Text erzählt auf hochironische Weise von missglückten Datingversuchen und wird bestimmt einigen von Euch ein breites Grinsen ins Gesicht zaubern.
LEISERE TÖNE
Nach einer Menge Gute-Laune-Musik wird es bei „Tagebuch“ ein wenig nachdenklicher und ruhiger. Der Text hat das Potenzial, um schwere Anfälle von Fernweh auszulösen, denn er handelt in erster Linie vom Reisen. Das ist allerdings nur die oberste Schicht des Textes. Darunter liegen eine Menge philosophischer Gedanken darüber, was wahre Freiheit ist und was im Leben wirklich zählt.
Wie habt Ihr Euch als Kind Euer Erwachsenenleben vorgestellt? Bei den meisten von uns unterscheiden sich diese Vorstellungen sehr stark von ihrer heutigen Realität. Formlos rufen in „Alles halb so schlimm“ dazu auf, sich damit nicht abzufinden nach dem Motto „Das gehört nun mal dazu“. Stattdessen schlagen sie vor, ein bisschen von der Unbeschwertheit und vielleicht auch vom Leichtsinn der Kindheit zu bewahren. Wer sagt denn auch bitte, dass Erwachsene immer nur vernünftig sein sollen? Mich beschwingen Sound und Text, was „Alles halb so schlimm“ zu meinem Favoriten auf dem Album macht.
STILMIX
„Still“ beginnt entgegen dem Titel mit herrlichem Gitarrensound, der dann zu meinem Schrecken in einen Rap-Part übergeht., der dann in etwas schräg wirkenden Gesang übergeht. Klingt seltsam, ist aber mit Sicherheit gewollt, denn genau darum geht es auch irgendwie in dem Song – was Kunst darf und wie sie klingen muss.
„Ein Leben lang“ fängt so an, wie ich mir den Beginn von „Still“ vorgestellt hätte – sehr ruhig – wobei diese Stille dann durch ein mitreißendes Gitarrenriff aufgelöst wird. Hörer, die sich bis zu diesem Song die Frage gestellt haben, welches Konzept Formlos mit ihrem Album verfolgen, bekommen jetzt die Antwort: Es gibt keines. Es geht um die Musik, um Gefühle und um Freude. Also mir reicht das!
Der letzte Song „Hasta la Vista“ ist noch einmal ein Remake von einem Song von DER FALSCHE WEG. Der Song ist echt herrlich rockig und der Gesang wirkt hier ein wenig rauer, als beim Rest des Albums. Die Botschaft des Textes: Wenn dich dein bisheriges Leben nicht glücklich macht, ist es vielleicht Zeit für einen Neustart.
FAZIT
Formlos haben sich musikalisch verändert. Ist das gut oder schlecht? Ich maße mir da kein Urteil an. Für mich ist es einfach nur anders. Was ich sagen kann ist, dass ich den Eindruck habe, dass die Band scheinbar sehr viel Freude am Experimentieren hat. Das hört man auch bei den einzelnen Liedern, die sich in den eingesetzten Stilmitteln doch stark unterscheidet. Ich mag Bands, die nicht auf Nummer sicher gehen und sich immer wieder neu erfinden. Deshalb kann ich Euch DEIN PLATZ auch nur empfehlen.
Das Album stelle ich Euch Sonntag auch nochmal bei Radio Jack vor.